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Heute beginnt einer der wichtigsten Schritte für deine Geschäftsidee: Du wirst dir überlegen, wie du dein Angebot so „simulieren“ kannst, dass potenzielle Kunden den Eindruck haben, es schon kaufen zu können.

Es ist immens wichtig, dass du so früh wie möglich Gewissheit darüber bekommst, ob dein Angebot am Markt auch genügend Abnehmer findet. Und die einzige Art und Weise das herauszufinden ist, Menschen eine echte Kaufentscheidung abzunötigen. Warum?

Es reicht leider nicht, Menschen um eine Einschätzung zu bitten, etwa so: „Stell dir vor, dieses Produkt wäre bereits fertig. Wärst du bereit es zu kaufen und wie viel wärst du bereit zu bezahlen?“ Die Menschen sind in der Regel einfach zu nett und viele werden dir erzählen, was du hören möchtest: „Och ja, ich kann mir schon vorstellen, so etwas zu kaufen. Vielleicht 10 Euro?“ oder: „Hm, warum nicht? Klingt ganz gut. Wie viel ich bereit wäre zu bezahlen? Tja, vielleicht 12 bis 13 Euro maximal – ich weiß nicht genau.“ Wenn sie jedoch tatsächlich dein Angebot im Laden sehen, ohne deine persönliche Ansprache, geben sie ihr Geld doch lieber für etwas anderes aus.

Hierzu eine kleine Geschichte:

Beispiel

Als Sony im Jahr 1979 den Walkman auf den Markt brachte, überlegten sie, welche Farbe das Gerät haben sollte. Sie entschieden sich zu einem Test mit potenziellen Kunden und zeigten ihnen das Gerät in drei Farben: schwarz, silber und gelb. Die Testanden wurden gefragt, welches ihnen am besten gefällt, und die Mehrheit entschied sich für das gelbe Gerät. Als sie nach der Befragung aus dem Raum gingen, durften sie sich als Dankeschön an einem Tisch ein Walkman aussuchen. Die Mehrheit entschied sich dann entgegen ihrer eigenen Aussage doch für den silbernen …

Also, jetzt sind deine Kreativität, deine Cleverness und dein Mut gefordert: Was könntest du deinen potenziellen Kunden erzählen und/oder zeigen, damit sie davon überzeugt sind, dass sie dein Produkt oder deine Dienstleistung bereits kaufen können?

Vier Beispiele, um ein Angebot zunächst zu simulieren

Beispiel 1: Kulturhof für Familien und Kulturinteressierte

Tatjana hatte die Idee einen „Kulturhof“ aufzumachen: einen alten Bauernhof so umzubauen, dass es dort ein Café mit kleinen regionalen, vegetarischen Snacks, einen Kulturraum für kleine Konzerte und Lesungen sowie viele Spielmöglichkeiten für Kinder gibt. Sie wollte sich um die Organisation und die Kinderbetreuung kümmern, die anderen Aufgaben (Café-Betrieb, vegetarische Küche und Kulturprogramm) an andere abgeben, die sich auch selbstständig machen wollten. Ihre Zielgruppe sind urbane Familien mit mittlerem bis höherem Einkommen und Kulturinteressierte, denen Nachhaltigkeit wichtig ist. Sie hat bereits einen guten Standort in der Nähe eines passenden Bezirks in Hamburg gefunden und möchte jetzt überprüfen, wie die Idee bei den Zielkunden ankommt.

Dazu hat sie sich für 80 Euro Flyer gestalten und 500 Exemplare drucken lassen. Auf dem Flyer ist ein schöner Bauernhof zu sehen, mit Familien, die entspannt Kaffee trinken und Kuchen essen, während Kinder im Garten spielen. Ein zweites Bild zeigt ein Konzert von einem Trio in einer gemütlichen, intimen Atmosphäre mit Kerzen auf den Tischen.

Auf dem Flyer werden die fünf wichtigsten Punkte aufgeführt: „Kaffeespezialitäten und hausgemachter Kuchen“, „regionale und frische Küche“, „Spielmöglichkeiten für Groß und Klein“, „Buntes Kulturprogramm“, „romantischer Bauernhof mitten in der Natur“.

Der wichtigste Punkt ist aber eine Ecke, in der steht:

Wertgutschein für 20 € bei Ihrem ersten Besuch für alle Speisen, Getränke und Veranstaltungen.

Der Flyer stellt also einen Wertgutschein dar, den Tatjana zum reduzierten Kaufpreis von 10 Euro als Eröffnungsangebot anbietet.

Beispiel 2: Yoga-Studio im Gewerbegebiet

Um die Nachfrage nach dem Yoga-Studio zu testen, reicht es aus, dass Marie sich ein schönes Roll-Up gestalten (ca. 50 Euro) und drucken lässt (ca. 30 Euro) sowie ein paar Verträge ausdruckt.

Das Roll-Up ist so gestaltet, dass es ein schönes Bild einer Yoga-Klasse in wunderschöner Atmosphäre (ca. 10 Euro) sowie die drei wichtigsten Besonderheiten aufzeigt, zum Beispiel:

  • Gesund & fit mit nur 1 Stunde/Woche
  • Kurszeiten auf Ihre Arbeitszeit abgestimmt
  • Nur 2 minutes von hier

Der Vertrag ist nur eine Seite lang, nimmt die wichtigsten Kundendaten auf und beschreibt die verschiedenen Angebote inklusive Preise. Damit können sich Kunden bereits für einen Kurs anmelden.

Marie spricht die Personalabteilung von verschiedenen Unternehmen an, um ihnen ihr Angebot zu erklären. In der Regel gibt es eine Person, die sich auch um die Gesundheitsprogramme für die Mitarbeiter kümmert. Mit dieser Person vereinbart Marie einen Termin, um weitere Details zu klären, die für beide Seiten relevant sind.

Marie erklärt, dass sie gerne an einigen Tagen einen kleinen Stand aufbauen möchte, um den Mitarbeitern die Idee für ihre Yoga-Gesundheitsvorsorge zu erläutern und den Bedarf der Mitarbeiter besser zu verstehen. Sie gibt hier also offen zu, dass sie noch in der Entwicklungsphase ist und sicherstellen möchte, dass das Angebot den Mitarbeitern auch gefällt und zu ihren Bedürfnissen passt. Die Unternehmen werden das in der Regel mit Wohlwollen hören, denn sie sind auch interessiert daran, dass das Angebot genau zu ihren Mitarbeitern passt.

Beispiel 3: Verkauf von Wolle und Strickmustern für Kinder im Internet

Stefanie möchte ihr Hobby zum Beruf machen und eine Webseite für den Verkauf von Wolle und Strickmustern für Kinder im Internet starten. Um die Nachfrage nach Strickmustern für Kinder und die dazugehörige Wolle zu testen, reicht es, wenn Stefanie zunächst eine simple Verkaufswebseite aufbaut (Kosten ca. 500 Euro), erste Pakete aus Muster und Wolle anbietet und für eine Woche eine Google Ads-Kampagne schaltet (Kosten ca. 200 Euro). Aus der Reaktion bzw. Kaufbereitschaft der angeworbenen Nutzer lässt sich auf den Bedarf der Kunden schließen und mittels veränderter Werbebotschaften Ansatzpunkte für die Verbesserungen des Angebots testen. Eine eigene Lagerhaltung oder professionelle Abläufe sind in dieser Phase noch nicht nötig: Die Wolle für diese Testphase kauft sie selbst erst ein, nachdem Kunden bestellt haben, die Strickmuster druckt sie am Drucker aus und verschickt beides zusammen per Post.

Beispiel 4: Pretotyping einer Erfindung: Es geht auch noch früher!

Sicherlicht kennst du den Begriff „Prototyp“. Ein Prototyp ist ein Ding, das als Vorbild für weitere, ähnliche Dinge dient oder auch ein Vorab-Exemplar für eine spätere Massenfertigung. Häufig versucht man mit viel Geld und Aufwand einen funktionsfähigen Prototyp einer Idee zu bauen, um zu testen, wie diese ankommt.

Ein radikalerer Ansatz ist das sogenannte Pretotyping. Hier wird versucht zu simulieren, dass der Prototyp etwas bereits kann, was aber aus Geld- oder Zeitmangel gar nicht realisiert wurde.

Hierzu ein Beispiel: Nehmen wir an, ich möchte eine neue Technologie entwickeln und vermarkten, mit der sich Präsentationen per Gestensteuerung (z. B. „Wischen in der Luft“) steuern lassen. Um zu prüfen, wie diese Idee überhaupt bei Zuschauern der Präsentation, dem Präsentierenden selbst, bei potenziellen Kunden oder auch Investoren ankommt, kann ich zu folgendem Trick greifen:

Ich lade die Personen in einen Raum mit einem Projektor und einer Leinwand ein. Dann präsentiere ich ein kleines schwarzes Kunststoffkästchen und erkläre, dass dies der Prototyp einer neuen, revolutionären Technologie sei. Ich starte meinen Laptop, erkläre, dass sich der Prototyp nun per Bluetooth bereits mit dem Laptop verbunden hat und starte eine PowerPoint-Präsentation. Nun wische ich in der Luft nach links und nach rechts und tatsächlich: Wie von Geisterhand springt die Präsentation vor und zurück, als gehorche sie meinen Händen. Dann bitte ich einen der Zuschauer nach vorne und erkläre ihm die Gesten. Als er es versucht, funktioniert der Prototyp tadellos und gehorcht dem Zuschauer aufs Wort bzw. auf die Hand.

Nun kann ich die Einschätzung der Personen einholen. Wie finden die Zuschauer es, wenn der Präsentierende in der Luft Gesten macht? Wie fühlt sich der Präsentierende selbst dabei? Sind die potenziellen Kunden an der Technologie interessiert? Wollen die Investoren in die Idee investieren?

Wenn ich alle meine Antworten habe, lüfte ich das Geheimnis: Die Plastikbox ist komplett leer. Tatsächlich saß ein von mir eingeweihter Kollege in der hinteren Reihe und steuerte die Präsentation mit einer handelsüblichen Beamer-Steuerung, so dass es keiner sah. Wir haben die Idee gemeinsam simuliert und durch die Plastikbox auf dem Tisch den Eindruck erweckt, dass das Produkt bereits fertig sei.

Waren die Antworten der Befragten eher negativ, lassen wir die Idee ggf. ganz fallen und haben uns so Monate an Arbeit und viele zig Tausende von Euro gespart. Waren die Antworten positiv, haben wir eine höhere Gewissheit, dass es sich lohnt, weiter in die Idee zu investieren. Im Idealfall haben wir schon erste Kunden, die kaufen wollen, und Investoren, die sich beteiligen möchten.

Also, nun bist du dran, hier ist deine Aufgabe

Wie lässt sich dein Angebot mit möglichst wenig Zeit, Aufwand und Geld überzeugend darstellen? Sei kreativ und wage es, „out of the box“ zu denken. Dieser Schritt ist einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen UnternehmerInnen, die neue Wege beschreiten, und Angestellten, die sich nur im Raum der vorgegebenen Möglichkeiten bewegen.